1959 – 1972 Schwabenhaus bis Besetzung

Das Schwabenhaus in der Gartenstrasse 12 kann als das erste Jugendzentrum Tübingens bezeichnet werden. Es wurde im Jahr 1900 von der studentischen Verbindung Corps Suevia gebaut und diente bis 1936 als deren Korporationshaus. Während dem Zweiten Weltkrieg war es ein Lazarett, nach dem Krieg französisches Kasino und danach wurde es vom Kaiser-Wilhelm-Institut genutzt. Die Stadt kaufte das Grundstück 1953 für 55.000 Mark auf.

Ab 1959 erfüllte das Schwabenhaus seinen Zweck als Jugendhaus, in dem es Platz für zahlreiche Aktivitäten bot. Es beherbergte Jugendgruppen aus Frankreich und England. In ihm veranstaltete der Jugendclub Beat- und Faschingsabende, sowie Vorträge und Diskussionen zu verschiedensten aktuellen und politischen Themen. Auch kooperative Veranstaltungen zwischen dem Jugendclub und dem Amerika-Haus, der Lebenshilfe oder dem evangelischen Mädchenwerk fanden im Schwabenhaus statt. Außerhalb des Gebäudes veranstaltete der Jugendclub Bandwettbewerbe, Modenschauen, Austausche, Sporttreffen, Wohltätigkeitsbälle für die Lebenshilfe und ein Radiointerview im Südwestfunk.

Leiter des Jugendclubs war Manfred Sailer, der sich nach acht Jahren 1971 verabschiedete. Für kurze Zeit übergab die Stadt den Jugendlichen das Haus in Selbstverwaltung. Nachdem es aber wiederholt zu Zerstörungen und Schlägereien gekommen war, wurde der Jugendclub im September 1971 von der Stadt geschlossen. Schon lange stand die Frage im Raum, ob das Schwabenhaus abgerissen werden sollte. Die neben dem Schwabenhaus gelegene Neckarmüllerei wollte ihr Gelände erweitern, so dass das Schwabenhaus hätte geräumt werden müssen. Vorerst wurde nach einer Unterschriftensammlung der Jugendlichen gegen den Abriss diese Forderung aufgeschoben. Mit 5.000 Mark von der Stadt wurden die nötigsten Renovierungsarbeiten von den Jugendlichen geleistet und im Januar 1972 wurde das “Tübinger Jugendzentrum” neu eröffnet. Ein von der Vollversammlung der Jugendlichen gewähltes ‘Zehner-Gremium’ führte die Verhandlungen mit der Stadt und verschiedene Arbeitsgruppen kümmerten sich um die anfallenden Arbeiten.

Mitte Februar 1972 sollte der Gemeinderat über den Denkmalschutz- Status entscheiden, diese Sitzung wurde verlegt. Die Jugendlichen forderten den Erhalt des Schwabenhauses als Jugendzentrum und die Einrichtung einer Grünanlage auf dem Neckarmüllereigelände. In der Nacht vom 23. auf den 24. April zerstörte ein ungeklärter Schwelbrand die Räume des Hauses. Neue Räumlichkeiten wurden gefordert. Tübingens Oberbürgermeister Gmelin äußerte sich laut Tagblatt-Ausgabe vom 31. Mai 1972 zu dieser Situation so: „Es ist wohl nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, Jugendlichen ihr Tanzvergnügen zu finanzieren.“

Fraglich war, ob das Schwabenhaus nach einem möglichen Wiederaufbau wieder für die Jugendarbeit genutzt werden konnte. Die hier von der Stadt angegebenen Gründe waren die Kosten der Renovierung, der Lärm der Festivitäten für die Anwohner und die Frage, ob das Gebäude nicht etwa zu schade für den Jugendclub sei. Die Forderungen der Jugendlichen beliefen sich auf eine Brandschadensbehebung und die sofortige Bereitstellung eines Bandraums. Zudem sollte bis zum 15. Mai ein gleichwertiges Haus zur Verfügung stehen, sonst suchten sich die Betroffenen ein neues Heim. Die Entscheidung wurde wieder vertagt. Die Stadt ignorierte das Ultimatum.

Am 22. Juni 1972 wurde die Karlstrasse 13 besetzt.