1972: Besetzung und Namensgebung

Das Epple besteht aufgrund und dank der Besetzung des Gebäudes in der Karlstraße 13 dem 23. Juni 1972.

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Mehrere Hundert Jugendliche zogen damals nach einem Konzert der linken Rockband Ton Steine Scherben (Anspieltipp: „Keine Macht für niemand!“) los und nahmen sich, was die Stadt ihnen verweigerte: ein eigenes Jugendzentrum. Jahrelang hatten sie für eine Perspektive für offene Jugendarbeit in Tübingen gestritten und im Jugendclub Schwabenhaus – zuletzt in Selbstverwaltung – mitgewirkt, während die Stadt ihnen gegenüber eine wechselhafte, widersprüchliche, an Wahlkampfinteressen orientierte Haltung an den Tag legte und das Schwabenhaus eigentlich am Liebsten abgerissen hätte. Als Letzteres, aus bis heute ungeklärter Ursache, Feuer fing und geschlossen werden musste, hatten die Jugendlichen die Schnauze voll und stellten der Stadt ein Ultimatum (→ dokumentiert im Anhang).

Die Geschichte des Epple wurzelt somit in den Forderungen nach eigenen Räumen für Jugend- und Subkultur, nach Mitbestimmungsrechten und Gestaltungsmöglichkeiten; nach einem Recht auf Stadt für junge Menschen, die oft nicht nur so ihre Probleme mit Eltern, Schule, Gesellschaft, sich selbst, etc. haben, sondern vor allen Dingen auch nicht die dicke Knete.

Ein politischer Ausdruck jener damaligen Jugendszene, die außer Beatmusik auch den Vietnamkrieg, die Ermordung Benno Ohnesorgs durch Polizeigewalt (1967), das Attentat auf Rudi Dutschke (1968) und die zunehmende Radikalisierung und Zersplitterung der Studentenbewegung um die Ohren hatte, schlug sich im Namen des besetzten Hauses nieder: Die BesetzerInnen benannten es nach Richard Epple, einem Jugendlichen, der wenige Monate vor der Besetzung bei einer Spritztour mit der Karre seiner Eltern von der Polizei erschossen worden war. Wahrscheinlich ist, dass man den 17-jährigen im Zuge der RAF-Hysterie für einen fliehenden Terroristen gehalten hatte. Die AktivistInnen des Epple schrieben damals in einem Flugblatt zur Namensgebung: „Hier geht es nämlich nicht darum, dass Richard Epple ein ‚unbeschriebenes Blatt‘ war, sondern darum, auf welch fahrlässige Weise gerade von Staatsorganen mit Menschenleben umgesprungen wurde […]“.

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