2004 – 2012: Rückgewinnung an Autonomie

Heute befinden sich ¾ des Epplehaus wieder in Selbstverwaltung, ¼ wird als „Jugendmediencafe“ im zweiten Stock von drei Sozialpädagog_innen im Auftrag der Stadt betreut. Zusätzlich gibt es noch eine Sozialpädagogen-Stelle, die für das städtische Jugendkulturbüro zuständig ist. Im selbstverwalteten Teil verfügt das Epplehaus, abgesehen von den kostenlosen Donnerstagsveranstaltungen, über keinen offenen Betrieb. Die Räumlichkeiten stehen aber allen aktiven Ehrenamtlichen generell offen.

Einen wesentlichen Wendepunkt durchlebte das Epplehaus, als durch Entscheidungen der Stadtverwaltung im Jahr 2004 keine Sozialpädagog_innen mehr im Verein arbeiteten.

Damit wurde ein Grundstein zu einer Verbesserung der Selbstverwaltung jenseits der Kontrolle durch städtische Angestellte gelegt. Das Epplehaus sollte dadurch seine Struktur grundlegend ändern.

Zuerst kam es 2008 durch eine Satzungsänderung zu einer Kompetenzübertragung im Trägerverein von der/dem Vorsitzenden auf einen gleichberechtigten Vorstand.

Schließlich wurden 2010 die Entscheidungsbefugnis von den fünf Vorstandsmitgliedern auf das geschlossene Teamplenum und das offene Dienstags-Plenum übertragen.

Der Prozess der Umstellung dauerte über ein Jahr lang und sollte auch der Entlastung des Vorstands dienen. Es sollten nicht mehr einige wenige alles machen müssen. Damit wurde im Rahmen der Vereinsstruktur die größtmögliche Basisdemokratie erreicht. Das neu entstandene Teamplenum steht aktiven Ehrenamtlichen offen, die sich bewusst dafür entscheiden mehr Verantwortung für das Jugendhaus zu übernehmen. Das Teamplenum dient dazu, das offene Plenum vorzubereiten, relevante Themen vorzubereiten und über Themen zu diskutieren, die, beispielsweise aufgrund von persönlichen Inhalten, nicht im offenen Dienstags-Plenum diskutiert werden können. Dem offenen Plenum obliegen jedoch die endgültigen Entscheidungen. In diesem wird u.a. auf die vergangene Woche zurückgeblickt, es werden Anfragen von Gästen geklärt und alle relevanten Beschlüsse gefasst. Auch werden in diesem Plenum Ergebnisse oder Vorschläge von verschiedenen Arbeitskreisen (Ak‘s) hinein getragen und im großen Kreis ausdiskutiert.

Die Entscheidungsfindung im offenen Plenum findet einmal die Woche mit allen Ehrenamtlichen nach dem Konsensprinzip statt. Dieses Prinzip ermöglicht die Teilhabe aller Anwesenden an der Entscheidungsfindung, indem mit Berücksichtigung der Bedürfnisse aller, gemeinsam und unhierarchisch ein Beschluss gefasst wird. Kein_e Teilnehmer_in soll dabei in der Theorie einem Zwang ausgesetzt werden Beschlüsse ohne Einverständnis hinnehmen zu müssen. In der Praxis gestalten sich die Entscheidungsfindungen dadurch häufig sehr langwierig und stellenweise nervenaufreibend. Zudem führen informelle Hierarchien immer wieder dazu, dass einzelne DiskussionsTeilnehmer_innen manchmal klein beigeben, als Beschlüsse wirklich zu akzeptieren. Trotz diesen problematischen Aspekten führt das Konsensprinzip dazu, dass Hierarchien möglichst flach bleiben und ein größtmögliches Mitspracherecht für alle Ehrenamtlichen garantiert wird. Da das Engagement der Vereinsmitglieder auf Freiwilligkeit und Selbstbestimmung basiert, ist die eigene Verantwortung von jugendlichen Mitarbeiter_innen gefragt um ein Jugendhaus mitzutragen und dessen fortbleibende Existenz zu garantieren, somit wird Selbstbestimmung und autonomes Denken gefördert. Um die Gleichberechtigung aller Mitglieder zu garantieren wird auch auf einen antidiskriminierenden Konsens gegen menschenverachtende Ideologien wie beispielsweise Sexismus oder Homophobie Wert gelegt um Grenzverletzungen und Diskriminierungen innerhalb des Jugendhauses zu unterbinden. Das Epplehaus will damit generell Menschen, die einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe angehören, einen Schutzraum zu bieten.

Bisher ist die neue Struktur erfolgreich. Sie lebt von der Mitarbeit möglichst vieler Personen. Die Möglichkeit selbst mitzuentscheiden und sich selbst zu organisieren hat dem Epple-Plenum offenbar eine Verjüngungskur beschert. Ein Blick in die Runde des Dienstags-Plenums genügt, um das zu bestätigen. Regelmäßig kommen am Dienstag zwischen 30 und 50 Personen im Plenum zusammen, die Mehrheit davon sind Schüler_innen. Offenbar ist die nächste Generation an Epple-Ehrenamtlichen abgesichert.